Das emotionale Muster bei der Partnersuche
Es ist das Einmaleins der Empfindungen, das der Paartherapeut Wolf Kirchmann in der Berliner „Gefühlsschule“ vermittelt. Dort lernt man, sich seinen Emotionen zu stellen. Im Interview erklärt Wolf Kirchmann: Nur wer das eigene emotionale Beuteschema durchschaut, kann die eigene Zielgruppe erweitern – um Menschen, deren Gegenwart sich richtig anfühlt.
Wer nicht fühlen will, muss leiden: Lektionen einer Berliner Gefühlsschule
ElitePartner: Kann man beim ersten Date seinem Gefühl dem noch fremden Gegenüber eigentlich trauen?
Wolf Kirchmann: Wem sonst, wenn nicht dem eigenen Gefühl (lacht)? Aber das ist natürlich schwer. Denn Gefühle finden auf verschiedenen Ebenen statt. Dieser fremde Mensch könnte mich zum Beispiel an jemanden erinnern, mit dem ich im Leben diese oder jene Erfahrung gemacht habe, und schon bezieht sich mein Gefühl nicht auf die Person, die mir gerade gegenübersitzt, sondern auf meine Erinnerung. Dann wäre es besser, zu hinterfragen, was man fühlt. Dennoch haben Gefühle eine Wegweiserfunktion bei der Begegnung mit Menschen.
Mit welchen Fragen kommen die Menschen in Ihre Gefühlsschule?
Vor allem mit Gefühlen! Viele empfinden sich als unzufrieden, unglücklich oder einsam. Durch Übungen und Gespräche, in denen sie Einblick in das Schicksal anderer bekommen, lernen sie, unterschiedliche Gefühlsebenen von Männer und Frauen zu verstehen. Dabei spielt oft auch die Erfahrung von zu wenig Liebe und Geborgenheit in der Herkunftsfamilie eine große Rolle. Das führt entweder zu einem dauerhaften Leiden oder aber zur Resignation, sodass der Betroffene zwar nicht leidet, sich wohl aber wundert, dass niemand sein Leben mit ihm teilen will!
Und was bringen Sie Ihren Schülern bei?
In einer Art Gruppenarbeit ermuntere ich sie, ihre eigenen Emotionen zu hinterfragen. Fühlt man sich etwa verletzt, verraten oder ungerecht behandelt, dann ist das zwar erst mal gut spürbar, weil es eine Empfindung ist, die ich nicht haben will, sodass ich mich ärgere. Viel spannender aber ist: Warum fühle ich so? Eine entscheidende Frage, die man nicht nur mit der Schuld der anderen erklären kann, was sehr oft geschieht.
Männer meiden Gefühle gern, Frauen gehen in Emotionen schon mal unter
Lernt man bei Ihnen also auch, seine Gefühle besser zu steuern?
Nicht in jedem Fall. Geht man mal von einer stark zugespitzten Typisierung aus, dann ist es typisch Mann, dass er oft Schwierigkeiten hat, mit seinen Gefühlen überhaupt in Kontakt zu treten, während Frau typisch dazu neigt, sich in Emotionen zu verlieren. Nehmen Sie zum Beispiel den Satz „Ich fühle mich traurig“, in dem gibt es ein Ich, ein Fühlen und eine Traurigkeit. Wenn Sie Männer verstehen wollen, müssen Sie wissen, dass bei Männern oft das Ich zu stark betont ist, da wenig Fühlen und wenig Traurigkeit besteht. Und bei Frauen ist häufig viel Fühlen, viel Traurigkeit und kein Ich mehr vorhanden, sodass sie in der Opferrolle verharren.
Wie entstehen eigentlich romantische Gefühle?
Warum man sich gerade in diese eine Person verliebt, das weiß keiner. Natürlich haben wir alle Muster im Kopf, man könnte auch Beuteschema dazu sagen. Das kann ganz banal der Mann im Anzug sein, der für eine Frau der wichtigste Trigger ist, weil er sie an ihren Vater erinnert, in dessen Gegenwart sie sich immer heimelig fühlte. Solche Bilder können aber auch trügerisch sein, wie ich neulich selbst wieder erlebt habe. Da kam ich in ein Café und sah eine Frau, die bei mir den Gedanken auslöste: Wow, was für ’ne tolle Frau! Aber dann klingelte ihr Handy, sie ging dran, ich hörte sie sprechen – und der Zauber war vorbei (lacht)!
Man ist also fähig, seine Zielgruppe zu ändern und Empfindungen zu kontrollieren?
Ja, klar! Aber man kann es mit der Kontrolle auch übertreiben, etwa wenn man bei der Partnersuche nach Rastern vorgeht. Ob jemand ebenso gerne Krimis liest wie ich, hat nicht notwendigerweise etwas mit dem Gefühl zu tun, das ich habe oder eben auch nicht, wenn ich ihm begegne. Vielleicht ist es jemand, der gar nicht meinem Idealtyp entspricht – und trotzdem macht es „Peng!“. Das Verrückte ist ja, dass es Gefühle sind, die wir beim geliebten Menschen suchen: lieben zu können und uns geliebt zu fühlen. Oberweite, Körpergröße, Beruf oder Hobby sind nebensächlich, sobald der andere fähig ist, diese Empfindungen in uns auszulösen.
Auf der Suche nach der großen Liebe sollte man seine Gefühlsmuster kennen
Bleibt man nicht – zumindest auf emotionaler Ebene – seinem individuellen Muster stets treu? Und sucht unbewusst beim anderen nach dem, was einem aus der Kindheit vertraut ist, um sich damit erneut auseinanderzusetzen?
Ja, das ist vermutlich auch die Antwort auf die Frage, warum man überhaupt auf diese oder jene Eigenschaft beim anderen anspringt und sich verliebt. Ich habe hier täglich Paare vor mir sitzen, die sich als Traumpartner gefunden haben, nach zehn Jahren in einer Beziehungskrise stecken und schließlich erkennen, dass sie keine andere Wahl haben, als sich selbst ihren Mustern zu stellen. Das Leben lässt uns offenbar einen Partner wählen, der gleichzeitig die Aufgabe beinhaltet, wachsen zu müssen und sich den eigenen Unzulänglichkeiten zu stellen.
Und da hilft dann auch kein Partnerwechsel, richtig?
Richtig, denn wenn man Probleme unbearbeitet lässt und nur den Partner wechselt, muss man mit dem dieselben Aufgaben früher oder später ja auch angehen. Viele Paare in meiner Praxis sagen: „Bitte ändern Sie meinen Mann/meine Frau“! Einmal bat mich ein Mittsechziger um Rat, der zum vierten Mal verheiratet war. Ich fragte ihn, ob sein Eheproblem vielleicht schon mal in den früheren Beziehungen Thema war – was er zögernd bejahte, um resigniert zu fragen: „Aber hätte ich das dann nicht schon mit meiner ersten Frau aufarbeiten können?“ – Ja und nein. Denn bisher war er ja felsenfest der Meinung, es läge an den Frauen. Und solange er in diesem Glauben war, hätte er nichts verändern können!
Was hat sich im Umgang mit Emotionen in den letzten hundert Jahren eigentlich verändert?
Man muss bedenken, dass durch die Erfahrung von zwei Weltkriegen zwei Generationen so viel Not, Leid, Gewalt erlebt haben, dass sie sich gar keine Gefühle erlauben konnten. Da galt es, zu überleben. Erst später hatten die Menschen wieder Raum für Emotionen, es gab für sie aber auch einiges aufzuarbeiten. Die Autorin des Buches „Seelische Trümmer“ prägte dafür ein schönes Bild: Nach dem Wegräumen der Trümmer in Form von Steinen und Schutt sind bis heute noch viele Menschen mit den Seelentrümmern der Vergangenheit beschäftigt.
Sie meinen unaufgearbeitete Gefühle wie Angst und Schmerz ihrer Eltern und Großeltern?
Ja. Denn jeder, der die Muster, mit denen er aufgewachsen ist, nicht anschaut, ist zur Wiederholung verdammt. Der jähzornige Vater, dem es nicht gelingt, seinen Zorn zu bearbeiten und aufzulösen, wird auch seinen Sohn in Angst und Schrecken erziehen, der von ihm lernt, alles herunterzuschlucken. Und so setzen sich unterdrückte Gefühle in dieser Familie so lange fort, bis einer sich dem Thema stellt. Erst dann besteht eine Chance auf Heilung.
Also am besten anfangen, sich solche Gedanken zu machen, bevor man auf Partnersuche geht?
Absolut! Und nie vergessen, auf den eigenen Instinkt zu vertrauen.
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